Wilder Tee aus dem Jirisan-Gebirge
Selbst gepflückt und eigenhändig geröstet
중국차가 향기라면 일본차는 빛깔이고 한국차는 맛이나라.
Chinesischer Tee ist Duft; japanischer Tee, Farbe; der koreanische Tee: Geschmack. – Park Hijin Am Tag nach Buddhas Geburtstag, einem sonnigen Samstagmorgen im Mai, schwärmte ich mit einer Schar „Hippies“ in grauen Mönchsgewändern mit Kunststoffschürzen und breitkrempigen Strohhüten in den Wald oberhalb der Gucheungam-Einsiedelei (구층암) aus, um wilden Tee zu pflücken. Hinter den „Hippies“ verbargen sich keine Aussteiger, sondern überwiegend Samsung-Mitarbeiter aus einem Dutzend verschiedener Länder. Sie hatten durch die von ihrer Kollegin Sonja Gläser betreute Freizeitgruppe „Hippie-Korea“ von deren Teeleidenschaft gehört. Sonja ist Absolventin des renommierten Banyaro-Instituts (반야로) der Teemeisterin Chae Won Hwa (채원화) und organisiert jedes Jahr eine Reise für Teeliebhaber und solche, die es werden wollen. Tee kam Mitte des ersten Jahrtausends von China nach Korea und wurde im Süden der Halbinsel angepflanzt, wo die Böden sauer und die Winter nicht zu kalt sind. Eines der ersten Anbaugebiete war Jirisan (지리산), das höchste Gebirge auf dem südkoreanischen Festland. In seinen westlichen Ausläufern liegt Hwaeomsa (화엄사), der größte Tempel der Region. Er wurde im Vereinigten Silla-Reich (645 – 935 n. Chr.) zum Zentrum der nach dem Avatamsaka-Sutra benannten Blütengirlanden-Schule des Buddhismus (Chinesisch: Huayen; Koreanisch: Hwaeom). Danach gibt es eine harmonische, universelle Ordnung, durch deren Erkenntnis man Konflikte und Spannungen vermeiden kann. Bergauf hinter dem Tempel befindet sich die kleine Einsiedelei, die uns für zwei Nächte beherbergte. Dort lebt Deokje (덕제), ein freundlicher und humorvoller Mönch, der sich ganz der Herstellung von organischem Tee verschrieben hat. Anders als die meisten Teeanbauer hat er keine Plantagen angelegt, sondern pflückt die Blätter von den Sträuchern, die wild in der Umgebung wachsen. Wilder Tee heißt auf Koreanisch „Yasaeng-cha“ (야생차). Wir folgten Deokje den Hang hinauf in den Wald. Auf einer von Bambus gesäumten Lichtung standen die dunkelgrünen Teesträucher kreuz und quer den Hang hoch. Wenn der Tau von Bäumen und Bambus auf den wilden Tee tropft, nennt man ihn „Jungno-cha“ (죽로차), das bedeutet „Bambus-Tau-Tee“ und zeugt von hervorragender Qualität. Außerdem gilt: je kleiner die Blätter, desto besser der Tee. Behutsam brachen wir nach Anleitung des Mönchs den Stengel stets unterhalb des dritten Blattes ab, weil die nachfolgenden Blätter zu groß sind und den Geschmack verderben. In Korea ist die traditionelle Bezeichnung für grünen Tee „Jakseol-cha“ (작설차), wörtlich „Spatzenzungen-Tee“, und die winzigen Knospen sehen tatsächlich so aus. Während wir pflückten zwitscherten übrigens keine Spatzen; stattdessen riefen Kuckucke (검은둥뻐꾸기). Die Qualität des Tees wird auch durch die Erntezeit beinflusst – je früher, desto besser. Am teuersten ist der vor dem 20. April geerntete Ujeon (우전), gefolgt vom Sejak (세작) und dem Jungjak (중작) ab dem 6. Mai. Wir befanden uns also schon am Ende der nur etwa einen Monat dauernden Ernteperiode und konnten daher keinen Schaden mehr anrichten.
Normalerweise wird der Tee von Frauen aus den umliegenden Dörfern gepflückt. Sie dürfen sich am Morgen von Erntetagen nicht mit parfümierter Seife waschen, weil der Tee deren Geruch annehmen würde. Am Ende dieses Vormittags trugen wir zwar nicht langhaarigen, aber beinahe ungewaschenen „Hippies“ und der kahlgeschorene Mönch unsere Ernte hinab zum abgedunkelten Gewächshaus neben der Küche. Dort wurden die Kängurubeutel unserer Schürzen entleert und die Teeblätter in einer großen, flachen Schale gesammelt. |
Der Vorgang des Trocknens muss rasch vonstatten gehen, bevor der Tee oxidiert, daher ging es gleich nach dem Mittagessen weiter. Wir bekamen jeder eine Stoffschürze, ein Kopftuch, zwei Unterarmschoner und vier Paar Handschuhe, eines davon aus Plastik, damit der Schweiß von den Händen nicht in den Tee tropft. Wozu wir mehrere Lagen Handschuhe brauchten und warum wir schwitzen würden, wurde schnell klar: Auf der einen Seite des Gewächshauses standen drei gasbetriebene, stählerne Kessel zum Rösten des Tees, die bereits auf 350 Grad Celsius vorgeheizt waren. Durch die Hitze ziehen sich die Blätter zusammen und verlieren ihre Feuchtigkeit.
Wir bildeten Gruppen von vier Personen, die sich um die Kessel gruppierten und die heutige und gestrige Ernte hineinschütteten. Es zischte und knisterte leicht, als die Blätter das heiße Metall berührten; darum mussten sofort die sich gegenüberstehenden Personen mit ihren dick behandschuhten Händen die Blätter wenden, bevor sie anbrannten. Trotzdem wurden unsere Finger sehr schnell heiß! Laut zählten wir: „Drei, zwei, eins!“ – dann übernahmen die anderen beiden. Sieben Minuten lang wirbelten wir so die Blätter umher, dann entnahmen wir sie dem Kessel. Auf der anderen Seite stand ein langer, mit einem Stofftuch bespannter Tisch, auf den wir die bereits etwas geschrumpelten Blätter schütteten. Danach rollten wir die Blätter mit unseren Händen wie Pizzateig, um die Feuchtigkeit herauszudrücken. Klumpen beseitigten wir zwischendurch durch sachtes Reiben zwischen den Händen. Harte Stengel sowie zu große oder angebrannte Blätter warfen wir vom Tisch. In dieser Zeit kühlte der Tee wieder etwas ab. Derselbe Prozess wiederholte sich dann bei 280 Grad. Anschließend gab es eine Pause mit Bananen und Wassermelonen, die in der Hitze besonders köstlich schmeckten. Der ganze Raum war erfüllt von dem bitter-herben Geruch des Tees, und aus dem Radio erklang klassische Musik. Noch sechs Mal mussten wir den Tee bei nach und nach niedrigerer Temperatur rösten, und obwohl wir ihn dann nicht mehr zu rollen brauchten, kamen wir gehörig ins Schwitzen. Den neunten und letzten Durchgang nahmen der Mönch und seine erfahrenen Helfer persönlich vor. Dieser dauerte zwei Stunden, und sie pickten die ganze Zeit mit bloßen Händen akribisch Blätter, die nicht ihren hohen Qualitätsansprüchen entsprachen, aus dem nun nur noch 90 Grad heißen Kessel. Am Ende waren die einstmals saftig grünen Blättern zu dunklen, krumpeligen geschrumpft. Man sagt, dass ein Kilo frische Blätter ca. 100 Gramm getrockneten Tee ergeben. Am Abend bekamen wir jeder einen Beutel mit 20 Gramm selbst hergestelltem Tee überreicht und konnten ihn probieren. Wir saßen in dem hölzernen Teehaus neben dem kleinen Tempel der Einsiedelei im Schneidersitz an niedrigen, hufeisenförmig angeordneten Tischen. An den Wänden hingen Kalligraphien, buddhistische Zeichnungen und ein paar Postkarten von früheren Gästen. Am Kopfende des Saals saß Deokje, hinter sich allerlei Utensilien, und bereitete unseren Tee zu. Draußen plätscherte der Bergbach, drinnen brodelte der Wasserkocher. In der gläsernen Kanne leuchtete der Tee noch goldfarben, aber nachdem er in die kleinen Schälchen vor uns gegossen wurde, war seine Farbe klar und hell. Er schmeckte wunderbar mild und gar nicht bitter. Am darauffolgenden Tag führten wir beim Wildteefestival im nahegelegenen Hadong unter fachgerechter Anleitung eine koreanische Teezeremonie durch und kosteten so manche Teesorte der zahlreichen Aussteller aus der Region. Unser selbstgemachter Tee brauchte den Vergleich nicht zu scheuen. Aus Platzgründen konnte nur ein Ausschnitt der Reise wiedergegeben werden. Wer eine Teereise mit Sonja Gläser machen möchte, erreicht sie unter [email protected] oder über ihre Facebook-Gruppen Korean Tea Lovers und Hippie-Korea. Die Einsiedelei findet man auf Koreanisch hier und die E-Mail-Adresse des Mönchs lautet [email protected]. Reisetipps zum Hadong Wildteefestival auf Deutsch. Englische Bücher zum Thema: The Korean Way of Tea von Brother Antony of Taizé und Hong Kyeong-Hee, erschienen bei Seoul Selection. Temples of Korea von Yoo Myeong-jong und Jeon Sung-young, 2009 von Discovery media mit Unterstützung von Korea Foundation herausgegeben. Dieser Artikel erschien Anfang Juli in Ausgabe 3/2013 von "Kultur Korea". Hier gibt es weitere Fotos der Reise zu sehen. |